Das Wallis der Artistokraten
Gäste wie Einheimische stellen sich die traditionelle Kultur des Alpenkantons Wallis meistens als bäuerliche, sogar als « altertümlich » vor. Angesichts der seit jahrzehnten propagierten Klischees von schönen Sennerinnen, tüchtigen Heuern, kühn angelegten Wasserleitungen und lebhaften Kuhkämpfen verwundert dies nicht.
Das 1995 eingerichtete Museum im ersten Stockwerk des Jost-Sigristen-Hauses erlaubt einen lohnenden Blick in jene selten berücksichtigte Kultur des aristokratischen Wallis, dessen Vertreter während Jahrhunderten die Politik des Landes dirigierten. Am Beispiel einer hochrangigen Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts, Jakob Valentin Sigristen (1733-1808), ist zu sehen, wie die Elite des Wallis wohnte und arbeitete.
Ein nobler Haushalt
Sigristens Karriere begann 1752. Er war Notar und während seines Lebens bekleidete er die wichtigsten politischen Ämter des Landes. Mit 19 Jahren war er Statthalter Meiers im Zenden Goms, dann Bannerherr des Zenden, Landessäckelmeister des Wallis und Landvogt in St.-Maurice. Beim Einmarsch der Franzosen im Jahre 1798 war er Landeshauptmann. Der neuen Regierung diente er als Staatsrat, später als Finanzminister.
Das 1581 erstellte und wenige Jahre später mit einem steinernen Anbau versehene Gebäude zählt zu den bedeutendsten Wohnhäusern von Ernen. Einen besonderen Wert erreicht es vor allem durch seine Innenausstattung: Als Sigristen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hier wohnte, liess er die Räume im Stil seiner Zeit umgestalten. Besonders erwähnenswert sind die in Grisaille-Technik angefertigten Malereien auf der Kassettendecke der grossen Stube, des Amtszimmer Sigristens. Im anschliessenden Raum wird eine festliche Mahlzeit des 18. Jahrhunderts gezeigt, wobei Sigristen als eleganter Patrizier im seidenene Kleid das alte Gesellschaftssystem verkörpert. Das Thema Essen und Trinken führt über in den folgenden Raum, die Küche. Zu beachten ist etwa – im Gegensatz zu den damals sonst üblichen offenen Feuerstellen – der gemauerte Ofen der Küche.
In einem Anbau beim Ausgang des Hauses, dem ehemaligen Speicher, in welchem Lebensmittelvorräte gelagert wurden, wird das bäuerliche Wallis jener Zeit kurz vorgestellt. Die landwirtschaftlichen Daten und Techniken aus der Umgebung haben Gültigkeit für weite Teile des Wallis, die bis ins 20. Jahrhundert mehrheitlich auf Selbstversorgung ausgerichtet waren.
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